2019

Buchpräsentation

Tragbares Vaterland Band 4:

Hannes Kammerstätter, Nina Diesenberger, Das Erbe lebt. Trotz traumatisierter Familien und deformierender Geschichtsbilder

18.10.2019 Literaturhaus Wien  19.00 Uhr

23.10.2019 Schloss Weinzierl, Wieselburg 18.30 Uhr

Dieses Buch wird als Band 4 zur 2012 erschienenen Trilogie „Tragbares Vaterland“ präsentiert. „Tragbares Vaterland“ informierte über die jüdische Gemeinde im südwestlichen Niederösterreich, über ihr jüdisches Eigenleben und über ihre tragbare Integration in die christliche Mehrheitsgesellschaft. „Tragbares Vaterland“ bedeutet im jüdischen Kontext auch, dass das in der Heimat eingeübte jüdische Lebenskonzept sich auch auf der Flucht und in der Emigration weiter bewährt. Band 4 informiert über die transgenerationale Weitergabe von Geschichtsbildern und von Traumata in Familien von Opfern und Tätern, von Mitläufern und Widerständigen. Im Erinnern-Lernen und in der praktischen Gedenkkultur geht es im  europäischen Rahmen bei uns in Österreich darum, die Überlagerung  des Menschheitsverbrechens der Shoah durch die 1934er Bürgerkriegsnarrative abzubauen; sich in die familiäre Zerreißprobe der jüdischen Eltern mit ihren Jugendlichen in Sachen Assimilation und Zionismus einzufühlen; die im geistigen, militanten und militärischen Widerstand Aktiven als Treuhänder Österreichs zu würdigen; den Umgang Österreichs mit Opfern, Mitläufern und Tätern kritisch einzuschätzen; Versuche im christlich-jüdischen Dialog wahrzunehmen. Als Experten der Erinnerung aus der Region und über Österreich hinaus werden mit Texten vorgestellt: Ernst Brod und seine 2000 Seiten Erinnerungsarbeit; der Trauma-Experte Rudolf Ekstein und der Netzwerker des österreichischen O5-Widerstandes Hans von Becker.

Mit: Erwin Leder (VA ), Hannes Kammerstätter, Nina Diesenberger, Katharina Köller, Maximilian Spielmann, Eva Dité u. a. Musik: Wilfried Wiesbauer (Eine Veranstaltung des Ersten Wiener Lesetheaters

 

 

Neues vom jüdischen Friedhof Ybbs/Göttsbach

Nachdem Der „Verein zur Sanierung des jüdischen Friedhofes Ybbs mit seinem ambitionierten Projekt der Gesamtrenovierung und der Errichtung des Robert Mahler Forum gescheitert ist, werden ab Mai 2015 kleinere Sanierungsmaßnahmen gesetzt: Reinigung und Konservierung der Grabsteine, Ausbesserungsarbeiten an der Friedhofsmauer.

Nach dem Abriss der Holzhütte neben der Zeremonienhalle kam ein bisher unbekannter Grabstein zum Vorschein, der bisher als Bodenplatte gedient hatte. Der Stein trägt den Namen der (C)Hanna/Anna Sommer (22.8.1883-3.9.1904) aus St. Leonhard am Forst 4. Ihr Todestag war der 23. Elul 5664.

Anna Sommer war die Tochter der Kaufmannsfamilie Josef Sommer (Sohn von Jakob und Elisabeth Sommer, Breskowitz in Böhmen) und Jeanette (Tochter von David und Elisabeth Sucharipa, Witten in Böhmen), die am 26.9.1877 in Grein getraut worden waren.  Die Namensgebung der Tochter Anna hatte am 25.8.1883 im Tempel in Ybbs stattgefunden.

 

 

Shoah-Schulprojekte in Niederösterreich. Ein Bericht

Schulprojekte zur Shoah sind ein wesentlicher Teil der Gedächtniskultur geworden. Sie behandeln nicht nur pflichtgemäß Teilthemen im Rahmen von Fächern wie Geschichte, Biologie, Religion, Ethik, Psychologie/Philosophie. Sie wollen vielmehr ermöglichen, durch persönliches Berührtwerden aus der Geschichte zu lernen. Und dieses gemeinsame Lernen aus persönlicher Betroffenheit gilt es auf aktuelle Menschenrechtsfragen in Österreich und auf den internationalen Kampf gegen Menschheitsverbrechen anzuwenden.

Der folgende Bericht über Schulprojekte zur Shoah im südwestlichen Niederösterreich, dem Sprengel der früheren Jüdischen Gemeinde Ybbs/Amstetten, erläutert, wie die einzelnen Teilprojekte seit 2001 jeweils darauf ausgerichtet waren, den SchülerInnen zu vermitteln, dass die nationalsozialistische Gewaltherrschaft den rassisch und politisch Verfolgten ihre Menschenrechte nahm und dass sie ein geplantes Menschheitsverbrechen organisierte, das auch in dieser Region und von Menschen aus dieser Region begangen und von Mitläufern auch aus dieser Region gebilligt wurde.

 

Zusammenfassung

Shoah-Schulprojekte ereignen sich als persönliches Lernen aus der Geschichte, aus der existenziellen Berührung mit Entscheidungssituationen von Widerständigen in ihrem Kampf gegen die verbrecherische Ideologie und Praxis der NS-Herrschaft. Eben dieses persönliche Lernen aus der Gewaltgeschichte stand den Widerständigen selbst nicht zur Verfügung. In Mitteleuropa gab es bis dahin kein vergleichbar verbrecherisches Herrschaftssystem, aus dem auf die befürchteten Verbrechen der NS-Herrschaft hätte geschlossen werden können. Aus dem parteipolitischen Antisemitismus allein war eine Prognose auf das Menschheitsverbrechen der Shoah nicht abzuleiten. Eventuell wussten die zum Widerstand Bereiten von den Pogromen in Ost- und Südosteuropa seit 1880 und ahnten, wer in diesen Ländern darauf wartete, mit den NS-Eroberern mörderisch zu kollaborieren.

In einem Shoah-Schulprojekt geht es beim Lernen aus der Geschichte darum, von Verbrechen gegen bestimmte Minderheiten und Opfergruppen Schlüsse zu ziehen auf die prekäre Rechtssituation heutiger Minderheiten, auf ihre schrittweise Diskriminierung bzw. auf die schrittweise Entsolidarisierung der Mehrheitsbevölkerung mit diesen Gruppen. Aus xenophober und identitärer Ideologie sollen volle Bürger- und Menschenrechte nur der leistungsfähigen Kernbevölkerung zugutekommen. Allen anderen, die diesem Kriterium nicht entsprechen, sollen Bürger-und Menschenrechte vorenthalten oder zumindest eingeschränkt werden.

Anders als es den Widerständigen gegen die NS-Gewalt möglich war, steht TeilnehmerInnen an Shoah-Schulprojekten umfassende Information über das Verbrechen in Planung, Organisation und Durchführung der Shoah zur Verfügung. Sie können heutiges Unrecht gegenüber Minderheiten aktuell vergleichsweise weniger gewaltsamen Ideologien zuordnen. Sie haben aber jedenfalls gelernt, jede Einschränkung von Bürger- und Menschenrechten als Umsetzung von Gewaltideologien zu entlarven, die aus humanistischen und/oder christlichen Überzeugungen abgelehnt und bekämpft werden muss, wenn Menschenrechte Bestand haben und Menschheitsverbrechen nach wie vor verhindert werden sollen. Insofern muss es erlaubt und politisch vertretbar sein und bleiben, sich durch in Shoah-Schulprojekten erlernte Vergleiche für aktuelle Menschenrechtsfragen zu sensibilisieren. Aus der Geschichte zu lernen, ist nichts Privates. Es geht darum, die Jugend als Träger der Gedenkkultur zu gewinnen.

Shoah-Schulprojekte in Niederösterreich. Ein Bericht in der Zeitschrift ÖGL Österreich.Geschichte.Literatur.Geographie 2/2019 S. 198-214

Johannes Kammerstätter

 

Porges-Besuch auf dem Jüdischen Friedhof Ybbs/Göttsbach und in Scheibbs

Zur Eröffnung der Ausstellung „Die drei mit dem Stift. Lily Renée, Bil Spira & Paul Peter Porges im Jüdischen Museum Wien waren die Porges-Töchter Vivette und Claudia mit ihrer Cousine Jane eingeladen. Am 8.5. 2019 verbrachten sie sie gemeinsam mit der Ausstellungskuratorin Sabine Bergler einen Tag in der alten Heimat der Familie Porges und besuchten auf dem  Jüdischen Friedhof Ybbs/Göttsbach das Grab des Urgroßvasters Abraham/Adolf Porges und das Porges-Haus in Scheibbs. Bei der offiziellen Einladung durch die Stadtgemeinde Scheibbs ergab sich eine hochinteressante Diskussion über die jüdische Identität als Judaism oderals Jewishness. Die drei Besucherinnen sprachen über die unterschiedliche Bedeutung des Judentums für ihre Herkunftsfamilien und für ihre eigene Kindheit. Je nach dem schätzten sie alle Jewishness und eine von ihnen positionierte sich mit großer persönlicher Betroffenheit im „Between“ zwischen Judaism und Jewishness. Der Besuch klang aus mit den Familien  Hottenroth und Dr. Maier im Keramikmuseum Scheibbs, wo vor 10 Jahren die Porges-Ausstellung „Fashion & Cartoon“ gezeigt wurde.

Der ETB/ErlauftalerNÖN brachte in Nr. 20/2019 S.6 den folgenden Bericht:

 

Die drei mit dem Stift. Lily Renée, Bil Spira und Paul Peter Porges

08 Mai bis 17 Nov ,

Museum Judenplatz

„Die drei mit dem Stift“ eint ein gemeinsames Schicksal. Drei Künstler, die als jüdische Kinder in Wien aufwuchsen, ihre Heimat nach dem so genannten Anschluss verlassen mussten und anderswo erfolgreich wurden. Ihre Zeichenstifte setzten sie als Werkzeuge zum Überleben ein, als nicht nur friedliche Waffen.

Die drei: Das ist zum einen Lily Renée, geboren 1921; sie entkam nach England und konnte sich in New York als Zeichnerin und Illustratorin verwirklichen. Unter anderem machte sie aus der Comics-Heldin Señorita Rio eine Kämpferin gegen Nazis und andere böse Mächte und wurde damit zur Kultfigur für Generationen von Comics-Fans.

Das ist ferner Wilhelm „Bil“ Spira (1913-1999), Porträtist und Karikaturist, Maler und nicht zuletzt ein begnadeter Fälscher: Unzähligen in Vichy-Frankreich Gestrandeten fertigte er Visa und Pässe für eine Passage in die Freiheit an. Spira überlebte Verrat und Vernichtungslager, nach dem Krieg konnte er seine Karriere in Paris erfolgreich fortsetzen.

Das ist schließlich Paul Peter Porges (1927-2016); als Kind bereits an der Wiener Kunstgewerbeschule, als Halbwüchsiger in der „Kinderrepublik“ und in Internierungslagern in Frankreich, als junger Mann in der Genfer Kunstschule: Mit Mutterwitz und dem Stift in der Hand schaffte er es in die Vereinigten Staaten und dort auf die großen Bühnen für Cartoonisten, allen voran den New Yorker.

Das Jüdische Museum Wien zeigt eine repräsentative Auswahl der Arbeiten dieser außergewöhnlichen Künstler: Lily Renée, Bil Spira und Paul Peter Porges – für das österreichische Publikum neu entdeckt.

KuratorInnen: Michael Freund, Sabine Bergler
Ausstellungsgestaltung: Fuhrer, Wien

 

Workshop Tragbares Vaterland Mai – November 2019
Begleitbrief

Dr. Johannes Kammerstätter
Bauxberg 2
A-3250 Wieselburg
07416 / 53313
bauxberg2@gmx.at

2019-02-04

 

Betrifft: Workshop „Tragbares Vaterland. Jugend als Träger der Gedenkkultur“

Sehr geehrte Professorinnen und Professoren!

Gefördert vom Zukunftsfonds der Republik Österreich biete ich höheren Schulen im Südwesten Niederösterreichs den Workshop „Tragbares Vaterland. Jugend als Träger der Gedenkkultur“ an. Zu diesem Anliegen wurden zwölf Themen erarbeitet. Eine am Workshop teilnehmende Klasse kann daraus zwei bis drei Themen auswählen, je nachdem, ob für den Workshop zwei oder drei aufeinander folgende Unterrichtseinheiten zur Verfügung stehen.

Je nach Themenauswahl könnte der Workshop fächerübergreifend über Religion (katholisch, evangelisch, muslimisch), Ethik, Geschichte, Psychologie, Philosophie, oder auch in bloß einem dieser Fächer durchgeführt werden.

Der Workshop wird angeboten für die Monate Mai/Juni und September/Oktober 2019. Für den Themenbereich „Familie in uns“ hat sich auch die Psychotherapeutin Mag. Nina Diesenberger zur Verfügung gestellt. Bitte geben Sie diese Informationen an Lehrernnen und Lehrer der einschlägigen Fächer weiter!

Wenn Ihre Schule den Workshop „Tragbares Vaterland“ durchführen will, schlagen Sie bitte noch vor den Osterferien per E-Mail einen für Sie geeigneten Termin/geeignete Termine vor und geben Sie bekannt, innerhalb welchen Faches/welcher Fächer in welcher Klasse/in welchen Klassen der Wortkshop stattfinden soll und welche zwei/welche drei Themenbereiche dafür ausgewählt wurden.

Mit Grüßen vom Bauxberg
Hannes Kammerstätter

 

Workshop Tragbares Vaterland. Jugend als Träger der Gedenkkultur

Thementöpfe

1. Familie in uns.
Traumatisierende Erfahrungen und Schuldverstrickungen unter NS-Herrschaft und ihre transgenerationale Weitergabe:

Traumatische Erfahrungen werden transgenerational in Familien von Tätern und Opfern, von Mitläufern und Widerständigen weitergegeben. Der Workshop setzt bei den Familien-Narrativen der teilnehmenden Schülerinnen und Schülern an und informiert über die therapeutische Praxis und Theorie zur transgenerationalen Traumaweitergabe.

2. Geschichte in uns.
Belastende Bilder zur Geschichte Österreichs 1933-1955 und ihre narrative Weitergabe:

Das parteipolitische Trauma des Februar 1934 überlagert und relativiert in Österreich das Trauma der Shoah. Männer, Frauen und Jugendliche, die der NS-Herrschaft Widerstand geleistet haben, sollen für das österreichische Geschichtsbild zurückgewonnen werden. Der Workshop zeigt, wie .die Widerständigen in überparteilicher Zusammenarbeit den Grundstein für die österreichische Nation gelegt haben.

3. „Wie es sich christelt, so jüdelt es sich.“
Versöhnungsversuche im christlich-jüdischen Dialog:

Ausgehend vom aktuellen Stand im christlich-jüdischen Dialog werden im Workshop Beispiele des praktischen Zusammenlebens der jüdischen Minderheit mit der christlichen Mehrheit in unserer Region bis 1938 berichtet. Dazu werden die gemeinsamen biblischen Wurzeln von Christentum und Judentum, sowie die Geschichte der Trennung und des trotz der Trennung vielfältigen gegenseitigen Einflusses erarbeitet.

4. Erinnern lernen.
Mit Rudolf Ekstein, Ernst Brod und Hans von Becker:

Der Workshop stellt Texte von Autoren vor, die zu jüdischen Familien im Erlauftal gehörten.

Rudolf Ekstein, Enkel des Managers der Seilwarenfabrik Lieser in Golling bei Pöchlarn, war in der sozialdemokratischen und kommunistischen Jugend engagiert. Er wurde im amerikanischen Exil als Psychoanalytiker und Psychagoge berühmt.

Ernst Brod aus Erlauf war Sozialdemokrat und als Bautechniker in Russland und in der Türkei im Einsatz. 1934 ging er zu Fuß nach Paris. Im amerikanischen Exil hat er in 2000 Seiten seine persönliche und politische Geschichte abgearbeitet.

Hans von Becker, Schwiegersohn der jüdischen Industriellenfamilie Lieser, war ein Multitalent: Bautechniker und Ethnologe in Südamerika, Maler, Buchautor, Werbeunternehmer. Er bekämpfte den NS zuerst als Werbeleiter des Ständestaates und nach seiner KZ-Haft als zentraler Netzwerker des O5-Widerstandes

5. Familien und Künstlern begegnen.
Jüdische Landsleute, Gäste und Partner; Roma-Opfer:

Der Workshop stellt Familiengeschichten jüdischer Landsleute vor, die bisher publiziert wurden: über 70 Familiengeschichten im Band 2 der Trilogie Tragbares Vaterland: „Heimat zum Mitnehmen“ ; etwa 20 Familiengeschichten im Begleitheft zum Shoah-Denk-Mal in Wieselburg. Der Workshop macht mit prominenten jüdischen Gästen in der Region bekannt, z.B. mit dem Kabarettisten Max von Vállas, dem Lunz seinen Namen „Lunz am See“ verdankt, und mit jüdischen Großhändlern, die Scheibbser Keramik weltweit vermarkteten. Auch in unserer Region gibt es ein Beispiel der Roma-Verfolgung.

6. Konflikte austragen oder vermeiden.
Jüdische Jugend in Österreich: Jüdische Heimat oder deutsche Freiheit:

Die konkrete Lebenssituation jüdischer Landsleute in Österreich bis 1938 kann nur verstehen, wer Einblick in die inneren Konflikte dieser Familien zwischen der jüdischen Jugend und deren Eltern bzw. Großeltern erhält. Der Workshop erarbeitet, wie hin und hergerissen die jüdische Jugend in Österreich war zwischen der Bewunderung für die deutsche Kultur, die sie mit ihren Eltern teilten, und der Begeisterung für den Zionismus. Die jüdische Jugend schwärmte für Nationalismus und Führerkult, nicht nur beim Siedlerprojekt in Palästina. Für viele war Österreich Platzhalter für den noch nicht bestehenden jüdischen Staat.

7. Widerständig sein.
Österreich als Bollwerk gegen den Nationalsozialismus 1933-1938:

Abgesehen vom parteipolitischen Streit, der sich im politisch gefärbten Historikerstreit über den Ständestaat fortsetzt, gab es in Österreich drei Elemente des geistigen Widerstandes gegen den Nationalsozialismus: die Staatsidee, Österreich ohne Klassenkampf und Rassismus durch den berufsständischen Aufbau zu befrieden; ein wöchentlich erscheinendes politisches Leitmedium für Führungskräfte; eine patriotische Werbekampagne mit dem Ziel, die nationalsozialistische Aggression von Österreich so lange wie möglich fernzuhalten.

8. Widerstand organisieren.
Vernetzung des zivilen, militanten und militärischen Widerstandes in Österreich 1941-1945:

Der Workshop stellt das Netzwerk des O-5-Widerstandes nach, in dem mit gut geplanten und mutigen Aktionen der zivile, militante und militärische Widerstand zusammengeführt wurde, um die NS-Herrschaft in Wien bzw. in Österreich möglichst gewaltarm zu beenden. Besonders herausgearbeitet wird dabei die Rolle von Jugendlichen und die Arbeit von Ärzten.

9. Widerstand ausblenden.
Im Österreichleitbild: Ostarrichi statt O5.
Im Umgang mit NS-Tätern und NS-Anhängern:

Nach 1945 haben die Parteien die Verdienste des Widerstandes für sich beansprucht und haben daher die Leistung des O5-Widerstandsnetzwerkes entwertet. Als historisches Leitbild für den jetzt von allen Parteien akzeptierten österreichischen Staat wurde daher nicht der mutige Kampf der Widerständigen des O5-Netzwerkes bestimmt. Als Leitbild diente der Name Ostarrichi, der mithilfe des 950-Jahre Jubiläums der Urkunde von 996 hervorgehoben wurde . Der österreichische Widerstand war den Großparteien auch noch in einer anderen Hinsicht ungelegen. Den beiden Großparteien ging es darum, NS-Täter zu begnadigen, um deren Anhänger als Wähler zu gewinnen.

10. Mitläufer stellen oder laufen lassen. NS-Politiker, christliche Fundamentalisten, NS-Karrieristen in Wissenschaft und Kultur:

An Beispielen zeigt der Workshop, wie NS-Herrschaft vor Ort organisiert war; wie Kirchengemeinden mit der NS-Herrschaft kollaborierten; ob und wie NS-Karrieristen ihre Berufslaufbahn nach dem Ende der NS-Herrschaft fortsetzen konnten.

11. Restitution gewähren oder verweigern. Einblick in ein mangelhaftes Gesetz und in willkürliche Entscheidungen:

Der Workshop gibt einen Überblick über die seit 1945 erlassenen Gesetze zur Restitution des den politischen und rassischen Opfern der NS-Herrschaft entzogenen Vermögens. Vorgestellt werden Beispiele der Entjudung von Betrieben, Geschäften oder Privathäusern und Beispiele zu deren Restitution nach 1945. Das Entschädigungsfondsgesetz von 2001 sollte regeln, dass entzogenes Vermögen, das sich 2001 noch immer im öffentlichen Besitz von Bund, Ländern oder Gemeinden befand, restituiert wird. Das Gesetz hat aber schwere Mängel, es gilt z.B. nicht in der Stadt Graz, weil sich diese dem Gesetz nicht unterworfen hat. Die für die Restitutionsanträge zuständige Schiedsinstanz hat von 2.315 Anträgen auf Naturalrestitution von Liegenschaften überhaupt nur 611 Anträge behandelt und davon nur 140 zur Restitution empfohlen. Als Maßstab diente der Schiedsinstanz das Kriterium „extremes Unrecht“, das sie anscheinend nur in wenigen Fällen gelten ließ. Im Workshop wird das Fallbeispiel einer gescheiterten Restitution durchgespielt.

12. Das Erbe lebt.
Erinnerungskultur zwischen Scheitern und Gelingen:

In Unserer Region gibt es einige gescheiterte und viele gelungene Beispiele an Gedenkkultur. Das kulturelle Gedächtnis soll, wie die im Workshop vorgestellten Beispiele zeigen, zum Anliegen der Jugend werden. Dazu gehört der Umgang mit Gedenkorten und die Gestaltung von Gedenkfeiern. Die NS-Jugendpolitik war, wie die Endphaseverbrechen auch in unserer Region zeigen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Anhand aktueller Menschenrechtsfragen soll die schulische Jugend aus der Geschichte lernen und so zum Träger der regionalen Gedenkkultur werden.

 

Springer-Gut Wildalpen
Kurzbericht

Valentine Springer

Wien, Schweiz, Lunz

Valentine Springer (1886-1969) war die Tochter von Albert Rothschild (1844-1911) und Bettina Rothschild (1858-1892) und Schwester von Alphonse, Louis Eugen und Georg Rothschild. Mit ihrem Ehemann Sigismund Springer (1875-1928) hatte sie zwei Kinder: Bettina Springer (1912-1974) und Albert Adolf Springer (1914-2008).

Zum Zeitpunkt der deutschen Besetzung Österreichs war sie als Witwe im Besitz folgender Liegenschaften:

Palais Springer in Wien III, Metternichgasse 8

Schloss Sitzenberg bei Tulln in NÖ

Villa Springer in Wildalpen, Stmk.

Areal in Seehof, Lunz in NÖ

Valentine Springer floh 1939 in die Schweiz. Weil sie Jüdin mit britischer Staatsbürgerschaft war, wurden ihre Vermögen nicht unmittelbar entzogen sondern unter Feindvermögensverwaltung gestellt. Teile der Vermögen wurden veräußert, das wertvolle Inventar wurde teils von Museen beansprucht oder wild arisiert. Die Restitution der Liegenschaften, Gebäude und Inventare erfolgte nicht in einem, sondern in je eigenen Verfahren, die zu mehr oder weniger angemessenem Restitutionserfolg führten. Unerledigt ist noch immer die Rückgabe von Raubkunst.

Die Rückstellung der Liegenschaften und Gebäude bzw. deren spätere Verkäufe sind für das Palais in Wien und das Schloss Sitzenberg abgeschlossen. Auf dem Areal in Lunz im Bereich Seehof über dem See gelegen ließ Valentine Springer ein Landhaus errichten. Die Restitution der Villa in Wildalpen hat sie zunächst nicht beantragt und ist erst auf Einladung der Sammelstelle A in das Restitutionsverfahren eingetreten. Dieses Verfahren ist ein historisches Lehrstück darüber, wie Finanzbehörden der Republik Österreich versuchten, die noch in öffentlichem Besitz befindlichen jüdischen Vermögen der Restitution zu entziehen.

Wie vermutet hat die Sammelstelle Anspruch auf das Springer-Gut erhoben und hat diesen Anspruch schließlich an Frau Springer abgetreten.

Interessant ist die juristische Diskussion zwischen dem Anwalt der Bundesforste und dem von Frau Springer. Letzterer hat sich mit seiner Argumentation durchgesetzt und die Restitution hat in Form eines Vergleiches stattgefunden, der am 6.4.1962 abgeschlossen wurde:

Vor der Finanzlandesdirektion für die Stmk. in Graz wurde mündlich verhandelt und daraufhin ein schriftlicher Vergleich abgeschlossen:

Die Bundesforste zahlen den Vergleichsbetrag von 400.000 ÖS als Entschädigung und 20.000 ÖS als Kostenbeitrag. Dafür verzichtete Valentine Springer auf alle Restitutionsansprüche betreffend das Gut in Wildalpen.

Der Springer-Anwalt Trautmannsdorff zahlte, um sie klag- und schadlos zu halten, an die Sammelstelle A 62.985 ÖS.

Damit war das Restitutionsverfahren für alle Beteiligten erledigt.

Besonders aufschlussreich ist die juristische Diskussion der Anwälte 1960/62 darüber, ob der Restitutionsanspruch der Valentine Springer trotzdem weiter aufrecht war, obwohl sie bisher selbst keinen entsprechenden Antrag gestellt hatte. Aus dem Nichtstellen des Antrages konnte nicht auf ihren Verzicht geschlossen werden, obwohl das die Bundesstellen so behauptet hatten.

 

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